Revue de presse :
Wenn man nichts für Volkslieder übrig hat, hoch unmusikalisch ist und deutsches Liedgut schon überhaupt ablehnt, so bleiben diese beiden Bände dennoch ein Schatzkästchen der ganz besonderen Art. Nun aber erst für alle, die gern singen! Der in Hamburg geborene Musiker und Wissenschaftler Joseph Jacobsen war ein frommer Jude und ein leidenschaftlicher Pädagoge. 1935 gab er mit seinem Kollegen Erwin Jospe, gleichfalls Musiker und Jude, das Liederbuch Hawa Naschira heraus mit hebräischem, jiddischen und deutschen Liedgut. Eine Demonstration des Gemeinsamen in der Getrenntheit von jüdisch und deutsch, beginnend mit einem hebräischen Wanderlied für Kinder im Marschtempo und endend mit einem Kanon auf Goethes Worte: Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten, nimmer sich beugen, aufrecht sich zeigen. Eine Provokation im damals nationalsozialistischen und antisemitischen Hamburg. Die ersten beiden Auflagen waren schnell verkauft, zur dritten kam es nicht. ... Dieses jüdisch-deutsche Liederbuch von 1935, in Faksimile neu vorgelegt, dreigeteilt in die Abschnitte Mensch -Natur-Gott ist auch ein politisches Buch, und nicht erst im Rückblick. Es erzählt in seinen Liedern aus dem Ghetto und von der Mischpoche. Viele religiöse Gesänge im Liederbuch standen damals für die jüdische Tradition, für Rückbesinnung auf das Eigene. Und selbstverständlich wurde im Viervierteltakt von den Mädchen in der Welt gesungen, sind falscher als das Geld mit ihrem Lieben. Ade zur guten Nacht! Jetzt wird Schluß gemacht, daß ich muß scheiden. Lieder von Fahne gen Zion, von Heimat und Naturverbundenheit, schauerlich nahe dem, was damals auch in nationalsozialistischen und stalinistischen Jugendbewegeungen gesungen wurde, waren deutlich Ausdruck der Hamburger jüdischen Reformpädagogik. In den Kindern Stolz und Selbstbewusstsein zu stärken in diesen Zeiten, mit musikalisch pädagogischen Impetus Liebe zum geistigen Besitz, zum Menschen, der jüdisch wie deutsch war - sich das nicht nehmen lassen, darum ging es. Der zweite Band ist ein informatives und unterhaltsam erzählendes Handbuch zum Liederbuch und obendrein eine Offenbarung an jüdsch-hamburgischen Geschichten, guten und unguten. Über 20 Autoren aus verschiedenen Ländern haben teils musikwissenschaftlich, teils weil sie als Jugendliche in Deutschland Hawa Naschira im Rucksack hatten, zum Lexikon beigetragen. Es weiß zu jedem Lied etwas zu erzählen und spiegelt von dem wider, was an kultureller Vielfalt vorhanden war und diskutiert wurden. (Die ZEIT)
Unter den Liedern, die hier zusammengestellt sind, findet sich Erez Israel und das populäre Hawa Nagila, ein Lied, das auch deutsche Jugendliche im Rahmen der israelisch-deutschen Versöhnungh oft gesungen haben. Doch wer kennt Schlof majn Kind , Mich ruft men Salmen , Lachewra Latora oder Jomi Jomi ? Jüdisches und hebräisches Liedgut ist selten Gemeingut geworden; umgekehrt aber nahmen Jacbsen und seine Mitarbeiter die deutschen Lieder in ihre Sammlung auf, mit denen sie genauso aufgewachsen waren wie alle anderen Deutschen und die in jüdischen Schulen und Vereinen genauso gesungen wurden wie überall: Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre, Auf der schwäb´sche Eisebahne, Röslein auf der Heide oder Wenn alle Brünnlein fließen. In diesem Buch stehen sie manchmal Seite an Seite mit Liedern der zionistischen Bwegung: Hawa Naschira präsentierte einerseits jüdisches Selbstbewußtsein, die Rückbesinnung auf eine eigene Kultur, die viele erst unter dem Druck der Nazis wiederentdeckten, und andererseits die Verbundenheit mit der deutschen Kultur, die trotzig sagt: Das lassen wir uns von Euch nicht nehmen! Mit der Neuauflage in zwei Bänden - einer ist das Liederbuch, der andere kommentiert und erklärt, wird diese Verbundenheit aufs neue beschwören, so wie Hawa Naschira damals gegen alle Schrecklichkeiten das Wunder der Freude beschwor. Hawa Naschira heißt Auf laßt uns singen. (NDR 3, Rundfunk)
Présentation de l'éditeur :
"Hawa Naschira. Auf! Laßt uns singen!" wurde 1935 von den Hamburger Juden Joseph Jacobsen und Erwin Jospe herausgegeben. Das Liederbuch mit deutschen Volksliedern und hebräischen Hymnen, mit jiddischen Tänzen und Kinderliedern mit Musik von Mozart, Beethoven und Telemann ist ein Zeugnis des Selbstverständnisses vieler deutscher Juden, die sich ihre Verbundenheit mit der deutschen Kultur durch die Nationalsozialisten nicht absprechen lassen wollten.
Der Lexikonteil enthält ausführliche Informationen zu den Liedern, ihren Verfassern und ihrer Geschichte und vermittelt ein lebendiges Bild der historischen und kulturellen Situation, in der "Hawa Naschira" entstand. Er schildert, wie die traditionellen Feste in einer streng religiösen Familie in Hamburg gefeiert wurden. Und Rabbiner Zew Walter Gotthold führt mit seinen Artikeln etwa zum Sabbat oder zu Chanukka auf eine Weise in die jüdische Überlieferung ein, die neugierig macht auf ein anderes Denken, eine lebendige Religion.Rainer Licht ist Musikwissenschaftler und Redakteur mit dem Schwerpunkt Geschichte der jüdischen Musikkultur in Hamburg.
Zwei Bände, Leinenbroschur, im Schuber
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