Synopsis
Die Form des Kindes ist ein Beitrag zur soziologischen Systemtheorie der Familie. Ausgangspunkt der Untersuchung sind die von Niklas Luhmann vorgeschlagenen Bedingungen familiärer Kommunikation: Die Familie inkludiert als einziges System der Gesellschaft ihre Mitglieder als Vollpersonen. Alles, was diese jenseits der Familie betrifft, sei es als Wähler, als Patient, als Konsument, als Kunstgenießer etc., kann die Familie zu ihrer Angelegenheit machen. Damit setzt sie sich auffallend ab von den Inklusionsbedingungen anderer gesellschaftlicher Bereiche, die in der modernen Gesellschaft immer nur hochselektiv auf ihre Beteiligten zurückgreifen. Hier deutet sich ein Zusammenhang zwischen Inklusionsverhältnissen der Familie und Gesellschaftsstruktur an, der die theoretische Klammer der Untersuchung bildet. Sie geht der Frage nach, wie die Familie (oder deren alteuropäisches Äquivalent, der Familienhaushalt) das Kind, seinen Körper, seine Psyche und seine (im weitesten Sinne) Karriere sozial berücksichtigt. Da alle drei Horizonte durch die gesellschaftlichen Verhältnisse dimensioniert werden, muss die Familie ihrerseits Strukturen aufbauen und erhalten, um mit diesen sich aufschließenden Horizonten ihres Personals zurechtzukommen. Entsprechend sind die Konditionen des Aufwachsens in der stratifizierten Gesellschaft des Mittelalters kaum mit denen der modernen Gesellschaft vergleichbar.
Die zentrale These des historischen Teils der Arbeit betrifft die Ausdifferenzierung der Familie als selbstreferentiell geschlossenes System: Zu ihr kommt es erst mit der 'Entdeckung des Kindes', die wiederum im Familiengeschehen ihre entscheidenden Anregungen findet. So ist das Kind Produkt und Ursache der Schließung und Ausdifferenzierung der modernen Familie. Mit der Sensibilität für das Kind und seine drei Horizonte, die erst in der modernen Gesellschaft eröffnet werden, verdichtet sich die familiäre Kommunikation zeitlich, sachlich und sozial so weit, dass es zum Takeoff eines sich rekursiv reproduzierenden Systems kommt. Auf dieser Grundlage sortiert die Familie die Möglichkeiten der Beteiligung an ihr neu. So gewinnt die Unterscheidung von eigenen Kindern und übrigem Personal des Hauses an Gewicht. Das Gesinde wird räumlich abgetrennt und erhält so die Aussicht, selbst eine Familie gründen zu können. Vorerst nur im Bürgertum schließt sich die Familie immer weiter ein und den Rest der Welt aus. Sie entdeckt als entscheidenden Sozialisationskontext des Kindes sich selbst. Sie schaltet sich als Zurechnungsadresse vor Gott und Natur, Dämonen und Ammen, Hauslehrer und Schule. Sie exponiert sich als einzig legitimer Ort für alle erdenklichen Ansprüche und Zumutungen ihres Personals. Derlei ist nicht die Folge einer (irgendwie aufkommenden) affektiven Hinwendung zum Kind, wie so oft behauptet wird, sondern deren Voraussetzung.
À propos de l?auteur
David Klett arbeitet als Manager für die Stuttgarter Klett-Gruppe und ist Mitglied des Forschungskolloquiums 'formlabor' am Lehrstuhl für Kulturtheorie und -analyse bei Prof. Dr. Dirk Baecker an der Zeppelin University, Friedrichshafen.
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